Ausgangslage
Im Rheinischen Revier zwischen Aachen, Mönchengladbach, Düsseldorf und Köln ergänzen sich drei Aspekte zu einer ganz besonderen Konstellation: Erstens beheimatet die Region exzellente Forschungseinrichtungen aus Wissenschaft und Industrie, die im Bereich Energie forschen, zweitens befindet sich die Region durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung in einer Umbruchsituation und drittens stehen durch das Strukturstärkungsgesetz des Bundes weitreichende finanzielle Mittel für den Strukturwandel zur Verfügung. Insgesamt bietet sich dem Rheinischen Revier damit die einzigartige Möglichkeit, die Transformation zu nutzen, um das Energiesystem der Zukunft in kürzester Zeit Realität werden zu lassen – und zu einer weitgehend treibhausgasneutralen Modellregion mit Vorbildfunktion zu werden.
Das Rheinische Revier, das größte Braunkohleabbaugebiet Deutschlands, wird sich durch das Ende der Kohleverstromung besonders intensiv wandeln. Diese schon begonnene Transformation wird als Chance ergriffen: Die Region will sich von einer Braunkohleregion hin zu einem modernen und klimaverträglichen Energie- und Industrierevier der Zukunft entwickeln. Innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte – zehn Jahre vor dem Zieljahr 2050 – soll das Energiesystem der Zukunft im Rheinischen Revier bereits erfahrbare Realität sein. Damit wird das Rheinische Revier zum Modellstandort für eine industriell geprägte, klimafreundliche Energieregion und zum Vorbild für Deutschland und Europa in den Bereichen neue Energien, Mobilität und nachhaltige Produktion.

Zukunftstechnologien vorantreiben
Auf dem Weg zu diesem Ziel müssen die Bausteine eines klimagerechten Energiesystems, in dem die Energieversorgung weiterhin preisgünstig und sicher ist, in den Fokus von Forschung und Entwicklung rücken. Dabei soll insbesondere an die Stärken der Region angeknüpft werden. Es gilt, die wichtigsten Zukunftstechnologien zu erforschen und in die Anwendung zu bringen: von großen Reallaboren wie dem geplanten Wärmespeicherkraftwerk StoreToPower über Innovationszentren wie dem Brainergy Park bis hin zu lokalen Projekten für ein dezentrales Energiemanagement. Auch der Entwicklung weitestgehend treibhausgasneutraler und wettbewerbsfähiger Produkte und Produktionsprozesse kommt eine wichtige Bedeutung zu, ebenso wie Technologien für emissionsarmes (mittelfristig sogar emissionsfreies) und geräuscharmes Fliegen. Das Rheinische Zukunftsrevier soll so zu einem Vorreiter bei der Forschung, Entwicklung und Anwendung von zukünftigen innovativen Technologien für ein klimaneutrales Energiesystem werden.

Finanzielle Unterstützung durch Bund und Land
Gefördert wird die Transformation durch das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ der Bundesregierung, das im Juli 2020 durch Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde. Es schafft die gesetzliche Grundlage, um die ambitionierte Transformation des Rheinischen Reviers mit bis zu 15 Milliarden Euro zu unterstützen. Um bereits früh erste sichtbare Signale zu setzen, haben Bund und Land 2019 zudem ein Sofortprogramm aufgelegt, über das bereits erste Fördermittel für zukunftsweisende Projekte vergeben wurden. Mit den umfangreichen finanziellen Mitteln für den Strukturwandel geht auch eine große Verantwortung einher – sowohl gegenüber dem Rheinischen Revier als auch gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in Deutschland, die die Finanzierungen ermöglichen. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, wurde 2019 unter der Federführung der Zukunftsagentur Rheinisches Revier das Wirtschafts- und Strukturprogramm 1.0 als Strukturentwicklungsprogramm für das Rheinische Revier erarbeitet. Auf dieser Grundlage soll sorgfältig und anhand klar definierter Ziele und Kriterien geprüft und entschieden werden, welche innovativen Projekte und Vorhaben im Rahmen des Strukturwandels finanziell unterstützt und ermöglicht werden. Ziel ist es, Modellregion für ein klimaneutrales Energiesystem der Zukunft zu werden.
Staerken foerdern
Stärken und Kompetenzen der Region weiter fördern
Für die Entwicklung des Rheinischen Reviers in Richtung Energiesystem der Zukunft verfolgt die Landesregierung einen sogenannten stärkenorientierten Wirtschaftsförderungsansatz. Das bedeutet, dass die besonderen Stärken und Kompetenzen der Region identifiziert und weiter gefördert werden. „Stärken stärken“ ist das geflügelte Wort, das diese Strategie beschreibt. Vor diesem Hintergrund hat die Zukunftsagentur Rheinisches Revier gemeinsam mit kommunalen Akteuren vier Zukunftsfelder ausgelotet, die die Stärken im Rheinischen Revier beschreiben: „Energie und Industrie“, „Ressourcen und Agrobusiness“, „Innovation und Bildung“ sowie „Raum und Infrastruktur“. Diese Zukunftsfelder bilden zusammen mit dem Wirtschafts- und Strukturprogramm 1.0 den inhaltlichen Rahmen, innerhalb dessen Projekte mit den vom Bund bereitgestellten Strukturhilfen gefördert werden sollen.
Die Forschungslandschaft als Stärke und Chance begreifen
Eine der zentralen Stärken des Rheinischen Reviers ist die anwendungsorientierte Forschungslandschaft, die auch im internationalen Maßstab als exzellent bewertet wird. Diese beinhaltet die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, das Forschungszentrum Jülich, die unterschiedlich spezialisierten Institute der großen Forschungsgesellschaften Fraunhofer, Helmholtz und Leibniz sowie die Fachhochschule Aachen und die Hochschule Niederrhein. Besonders ist außerdem die feste Verzahnung zwischen der Forschung im Hochschulbereich und der Anwendungsentwicklung in der Industrie. Durch seine geografische Lage ist das Rheinische Revier außerdem überregional und international in einem starken Forschungsnetzwerk verankert. Hervorzuheben sind insbesondere die Kompetenzen in der energiewirtschaftlichen und energietechnischen Forschung. Allein die Sektion ENERGY (Sustainable Energy Experiments) der Forschungsallianz zwischen Jülich und Aachen (JARA) vereint mehr als 50 Institute mit mehr als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie alle eint das Ziel, die Energieversorgung und die Mobilität der Zukunft zu sichern – mit Blick auf Umwelt, Klima, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit. Diese Wissenschafts- und Forschungslandschaft der Region ist die Grundlage und die Chance für einen erfolgreichen Dreiklang: den gelingenden Strukturwandel, die Entwicklung und den Export nordrhein-westfälischer Technologien und eine zunehmende Anziehungskraft des Rheinischen Reviers für hochqualifizierte Fachkräfte.
Transformation zum Energierevier der Zukunft – zehn Jahre vor dem Zieljahr 2050
Forschungsschwerpunkte: Power-to-X, Wasserstoff und Solarforschung
Einen wichtigen Schwerpunkt im Rheinischen Revier werden Power-to-X-Technologien bilden. Diese Technologien können beispielsweise genutzt werden, um synthetische Kraftstoffe oder hochwertige chemische Produkte zu erzeugen. Da die hierfür erforderlichen Prozesse zumeist große Mengen an Wasserstoff benötigen, entstehen interessante Anknüpfungspunkte an die Wasserstoffforschung und die infrastrukturelle Wasserstoffwirtschaft.
Eben diese Wasserstoffforschung wird die Weiterentwicklung des Rheinischen Reviers ebenfalls vorantreiben. So soll das neu entstehende Helmholtz-Cluster für nachhaltige und infrastrukturelle Wasserstoffwirtschaft im Rheinischen Revier die Produktion, die Speicherung, den Transport und die Verwertung von Wasserstoff erforschen, entwickeln und in großem Maßstab demonstrieren. Durch die Forschungsergebnisse und die enge Zusammenarbeit von Partnern aus Wissenschaft, Industrie und Kommunen im Helmholtz- Cluster werden sowohl die Transformation bestehender Industrien als auch die Gründung und Ansiedlung neuer Unternehmen gefördert und ermöglicht.

Forschungsschwerpunkt Solarforschung
Zu den Stärken der Energieforschung im Rheinischen Revier zählt auch die Solarforschung. Zum Beispiel betreibt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Jülich seit 2017 den Hochleistungsstrahler Synlight – eine weltweit einmalige Anlage, die auch den Titel „größte künstliche Sonne der Welt“ trägt. Synlight besteht aus 149 individuell regelbaren Xenonstrahlern, von denen jeder einzelne einen Lampendurchmesser von bis zu 1,10 Meter aufweist. Zusammen erzeugen die Strahler eine Lichtintensität, die mindestens dem 10.000-fachen Wert der natürlichen Sonneneinstrahlung auf der Erdoberfläche entspricht. Synlight eignet sich daher bestens, um solarthermische Kraftwerkstechnologien eingehend zu testen.
In den kommenden Jahren wird der Schwerpunkt der Solarforschung auf solaren Treibstoffen liegen. Diese durch konzentrierte Sonnenenergie künstlich hergestellten, flüssigen Kraftstoffe können beispielsweise fossilen Kraftstoffen beigemischt werden und so kurzfristig zu reduzierten CO2-Emissionen beitragen. Mittel- bis langfristig können solare Treibstoffe die fossilen Kraftstoffe in einigen Bereichen komplett ersetzen, zum Beispiel in der Luft- und Schifffahrt oder im Schwerlastverkehr. In diesem Zusammenhang soll in Jülich im Rahmen des Strukturwandels ein weiteres DLR-Institut entstehen: das Institut für Future Fuels.
Auf dem Weg zum globalen Vorreiter
Die Maßnahmen und Projekte, die es für den Aufbau des Energiereviers der Zukunft braucht, sind äußerst vielschichtig. Sie umfassen nicht nur Power-to-X, Wasserstoff und Solarforschung, sondern beinhalten alle Bereiche der erneuerbaren Energien, der Sektorenkopplung und der Flexibilisierung, der Digitalisierung und des intelligenten Netzmanagements, der Energiespeicherung und der Energieeffizienz, der Cyber-Sicherheit und der Transformationsforschung.
Durch Innovation zum Hot-Spot für neue Geschäftsmodelle und Produktionsstätten
Mit diesen Stärken und Potenzialen will das Rheinische Revier zum Vorreiter für die Entwicklung zukunftsfähiger Technologien für ein klimaneutrales Energiesystem werden – sowie zum weltweiten Hot-Spot für neue Geschäftsmodelle und Produktionsstätten, die sich aus der Energieforschung ergeben. Voraussetzung hierfür ist ein erfolgreiches Zusammenspiel von angewandter Forschung, Unternehmen, Start-ups und Projektentwicklern, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: den Transfer von der Forschung in die Anwendung zu schaffen und innovative Technologien zügig in die Umsetzung zu bringen. Mit dieser Strategie sichert sich die Region einen wesentlichen Know-how- Vorsprung und langfristig eine Technologieführerschaft.
Praxiseinblicke
Forschungsprojekte
Einblick in die Praxis

Brainergy Park Jülich
In Jülich entsteht auf einer Fläche von 52 Hektar ein innovatives und nachhaltiges Gewerbegebiet: der Brainergy Park. Dort werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen mit Energieversorgern und Wirtschaftsunternehmen an den Bereichen Energie, Digitalisierung und Bioökonomie arbeiten. Diese dynamische Arbeitswelt soll Schnittstellenaktivitäten zwischen Forschung und Wirtschaft ermöglichen sowie Impulse für Neugründungen setzen. Der Brainergy Park adressiert damit die Herausforderungen der Energiewelt von morgen und bildet gleichzeitig eine Basis für neue Arbeitsplätze.
Bild: Modellansicht Brainergy Park, ©Brainergy Park Jülich GmbH.

ANABEL – Accelerator Nachhaltige Bereitstellung Elektrochemisch Erzeugter Kraft- und Wertstoffe mittels Power-to-X: Verbundvorhaben iNEW
Im Rheinischen Revier soll das Energiesystem bis zum Jahr 2038 umgebaut sein. Damit dies gelingt, müssen wissenschaftliche Innovationen schneller als bisher in industrielle Produktionsprozesse implementiert werden. Dieser Kernaspekt steht im Zentrum der Innovationsplattform iNEW: Sie fokussiert die Erforschung, Weiterentwicklung und Implementierung von Power-to-X-Technologien, einem der vielversprechendsten Ansätze für CO2-neutrale Industrieprozesse. Power-to-X-Technologien nutzen erneuerbar erzeugten Strom und regenerative Ressourcen. Zu diesen regenerativen Ressourcen zählt auch bereits vorhandenes CO2 aus Punktquellen, das in der Power-to-X-Anwendung zur Herstellung neuer Produkte genutzt und damit zu einem nachhaltigen Rohstoff wird. Langfristiges Ziel ist es, fossile Energieträger durch Produkte aus Power-to-X-Technologien zu ersetzen. Durch iNEW sollen Power-to-X-Technologien entwickelt, unter Realbedingungen erprobt und zielgerichtet in die Produktion überführt werden. Dazu bringt die Innovationsplattform akademische und industrielle Partner zusammen, bündelt so die Innovationskräfte und schließt durch die Gemeinschaft Lücken im Innovationszyklus. Für Forschung und Entwicklung werden auf diese Weise optimale Bedingungen geschaffen.
Bild: Symbolische Darstellung der vernetzten, sektorübergreifenden CO2-Verwertung, ©wladimir1804 - stock.adobe.com
Energieforschung ist der Schlüssel zum Erfolg
Das Rheinische Revier soll zu einem Modellstandort für eine industriell geprägte und klimafreundliche Energieregion mit weltweitem Vorbildcharakter werden. Für dieses Ziel ist eine exzellente Energieforschung der Schlüssel zum Erfolg. Je fundierter und professioneller diese abläuft, desto effizienter und kostengünstiger entstehen technologische Konzepte, die über Forschungsprojekte hin zu Marktreife und Massenproduktion entwickelt werden können. Für diesen Reifeprozess soll das Rheinische Revier ein Schaufenster werden. Die langjährige bewährte Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen, den wissenschaftlichen Einrichtungen und der heimischen Industrie schafft hierfür die Basis. Gemeinsam stellen sie Projekte zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, zur Sektorenkopplung, zur Digitalisierung und zum dezentralen Energiemanagement auf die Beine und gründen großskalige Reallabore und Innovationszentren. Das Rheinische Revier wird so zu einem Energierevier der Zukunft.
