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Carbon Management Strategie NRW

Innovative Kohlenstoffwirtschaft für eine klimaneutrale Industriezukunft

Die Carbon Management Strategie NRW zeigt Ansätze und Leitplanken zur Reduzierung der Kohlenstoffintensität sowie einer klimaschonenden Kohlenstoffnutzung auf.

Kohlenstoff ist ein unverzichtbarer Grundpfeiler für den Erhalt einer wettbewerbsfähigen Industrie. Zur Herstellung essentieller Grundprodukte einer modernen Industriegesellschaft wie Stahl, Aluminium, Zement oder Kunststoff wird er zwingend benötigt. Auch die nordrhein-westfälische Chemieindustrie ist auf den Rohstoff in weiten Teilen angewiesen. Das Erreichen der Klimaschutzziele erfordert allerdings einen Wandel dahingehend, welcher Kohlenstoff auf welche Weise eingesetzt wird. Mit der Ende 2021 erschienenen Carbon Management Strategie NRW hat die Landesregierung einen zentralen Impuls für die Etablierung einer nachhaltigen Kohlenstoffwirtschaft geschaffen. Die Strategie zeigt Ansätze und Leitplanken zur Reduzierung der Kohlenstoffintensität sowie einer klimaschonenden Kohlenstoffnutzung auf. Zudem werden Maßnahmen zum Abbau rechtlicher und regulatorischer Hürden identifiziert und deren rasche Umsetzung eingefordert.

Industrieanlagen
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Für einen erfolgreichen Wandel der Industrie ist der Aufbau einer nachhaltigen Kohlenstoffwirtschaft unabdingbar.

Ziel der Strategie ist es, die Transformation in eine Low Carbon Industry mit Hilfe eines innovativen Kohlenstoffmanagements zu beschleunigen. Für einen erfolgreichen Wandel der Industrie ist der Aufbau einer nachhaltigen Kohlenstoffwirtschaft - neben der Elektrifizierung von Prozessen und der verstärkten Nutzung von Wasserstoff - unabdingbar. Dabei ist es von enormer Bedeutung, den bereits vorhandenen Kohlenstoff im Sinne eines Kreislaufs zu führen und damit die Freisetzung von Kohlenstoffdioxid (CO2) so weit wie möglich zu vermeiden. Statt der Nutzung zusätzlicher fossiler Kohlenstoffquellen sollen insbesondere durch Recycling gewonnene Sekundärrohstoffe, Biomasse oder CO2 im Vordergrund stehen.

Die Ansätze und Maßnahmen der Carbon Management Strategie nehmen vier zentrale Handlungsfelder in den Blick:

  • Im Handlungsfeld I steht die Dekarbonisierung, also der vollständige Verzicht auf Kohlenstoff, in bestimmten Segmenten und Anwendungsfällen im Fokus. Wo es technisch möglich und nachhaltig sinnvoll ist, sollen die Entwicklung und Nutzung von kohlenstofffreien Technologien und Energieträgern vorangebracht werden.
  • Das Handlungsfeld II konzentriert sich auf die Bereiche, in denen ein Verzicht auf Kohlenstoff nicht möglich ist. Unter dem Begriff der Defossilisierung werden darin Maßnahmen aufgezeigt, um die Kohlenstoffnutzung möglichst nachhaltig auszugestalten. Im Sinne einer weitestgehenden Abkehr von fossilen Rohstoffen sollen durch Recycling gewonnene Sekundärrohstoffe, Biomasse und CO2 als vorrangige Quellen genutzt werden.
  • Das Handlungsfeld III bezieht sich auf das CO2-Management. Geeignete Optionen zur Abscheidung, zum Transport, zur Nutzung und zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid sollen nutzbar gemacht werden. Wird abgeschiedenes industrielles CO2 beispielsweise als alternativer Rohstoff für die chemische Industrie genutzt, ermöglicht dies erhebliche Emissionsreduktionen. Notwendig hierfür ist die Planung und Vorbereitung einer effizienten CO2-Infrastruktur sowie die praktische Erforschung der CO2-Transportprozesse. Zudem müssen die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung innovativer Carbon Capture and X-Technologien angepasst werden.
  • Der gesellschaftliche Diskurs zum Thema nachhaltige Kohlenstoffwirtschaft bildet das Handlungsfeld IV. Über eine frühzeitige Einbindung und transparente Kommunikation soll der Transformationsprozess in Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern ausgestaltet werden.

Neben der Erreichung der Klimaschutzziele birgt der Aufbau einer nachhaltigen Kohlenstoffwirtschaft auch vielfältige Potenziale zur Stärkung des nordrhein-westfälischen Industrie- und Wirtschaftsstandorts. Die klimaneutrale Transformation der Industrie sichert auch in Zukunft den Bestand zukunftsfähiger Arbeitsplätze und nachhaltiger Wertschöpfung im Industriebereich. Um die Abwanderung von Unternehmen in Regionen mit weniger strengen Klimaschutzvorgaben zu vermeiden, muss Nordrhein-Westfalen neue Wettbewerbsvorteile für sich erschließen. Die zügige Entwicklung und praktische Erprobung innovativer Prozesstechnologien ist mit großen Chancen für Unternehmen verknüpft. Insbesondere der starke Bereich der Anlagenbauer in Nordrhein-Westfalen kann hier eine internationale Vorreiterrolle einnehmen.

Das kann die Energieforschung leisten

Bei der konkreten Umsetzung der Carbon Management Strategie und ihrer Zielsetzungen ist die Energieforschung in starkem Maße gefragt. Der angestrebte Transformationsprozess weist ein enormes Ausmaß auf. Nicht nur die Energie- und Rohstoffversorgung, sondern auch die damit verbundenen Produktionsprozesse sowie Wertschöpfungsketten stehen großen Veränderungen gegenüber. Zusätzlich kommt dem Faktor Zeit eine wichtige Rolle zu, was vor allem im Bereich der industriellen Produktion auf systembedingte Herausforderungen stößt. Neben langen Innovations- und Investitionszyklen besteht in den Branchen, die für ein effektives Kohlenstoffmanagement besonders relevant sind, zusätzlich ein hoher Reinvestitionsbedarf. Innovative Technologien und Verfahren zur nachhaltigen Kohlenstoffnutzung müssen daher so rasch wie möglich entwickelt, erprobt und in die praktische Anwendung überführt werden.

CO2-Schriftzug aus Wolken vor blauem Himmel
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Geeignete Optionen zur Abscheidung, zum Transport, zur Nutzung und zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid sollen nutzbar gemacht werden.

Allerdings besteht für den erfolgreichen Aufbau einer nachhaltigen Kohlenstoffwirtschaft kein pauschaler Lösungsweg. Je nach genutzter Kohlenstoffquelle und konkretem Anwendungsfall können erhebliche Unterschiede bestehen, wie die Nutzung von beziehungsweise der Verzicht auf Kohlenstoff bestmöglich realisierbar sind. Daher ist die Erarbeitung von branchenspezifischen und passgenauen Prozesstechnologien notwendig, die zusätzlich dem Kriterium der Nachhaltigkeit gerecht werden müssen. Angesichts der engen Vernetzung der nordrhein-westfälischen Industrielandschaft können zudem kleinste Veränderungen der genutzten Kohlenstoffbasis oder der Herstellungsprozesse weitreichende Auswirkungen mit sich bringen. In diesem Umfeld zahlreicher Lösungsoptionen und komplexer Wechselbeziehungen besteht noch relevanter Forschungsbedarf, um eine technologieoffene Abwägung der alternativen Wertschöpfungspfade bestmöglich umsetzen und anwenden zu können.

Auf dem Weg zur Low Carbon Industry stehen insbesondere zwei Branchen im Mittelpunkt. Das betrifft einmal die chemische Industrie, die einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen leisten kann. Nahezu alle Wertschöpfungsketten dieser Branche basieren auf rohstofflich eingesetzten Kohlenwasserstoffen und weisen damit ein enormes CO2-Verwertungspotenzial auf. Gerade dadurch eröffnet sich eine vielversprechende Chance: Die chemische Industrie könnte sich von ihrem aktuellen Status als CO2-Quelle in Zukunft zu einer CO2-Senke wandeln. Auch die Zementindustrie, die als zweite Branche verstärkt im Fokus steht, kann eine relevante Rolle zum Gelingen des Wandels spielen. Bei der Herstellung von Zement kommt es prozessbedingt unvermeidbar zur Entstehung von CO2-Mengen, deren Umfang mit gegenwärtig verfügbaren Technologien nicht mehr weiter reduziert werden kann. Daher bildet die Entwicklung und Erprobung von geeigneten Methoden zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 in der chemischen und der Zementindustrie einen unerlässlichen Beitrag auf dem Weg in die klimaneutrale Industriezukunft.

Die nordrhein-westfälische Forschungslandschaft kann hinsichtlich des Aufbaus einer nachhaltigen Kohlenstoffwirtschaft bereits auf wichtige Erfolge blicken.

Der Werkstoffhersteller Covestro aus Leverkusen zeigt beispielsweise, wie CO2 zum wertvollen Grundstoff für alltägliche Produkte werden kann. Mit einem innovativen Verfahren entsteht aus CO2 eine nachhaltige Art von Polyolen, die unter anderem zur Herstellung von Bindemitteln für Sportböden eingesetzt werden. Weitere mögliche Einsatzbereiche sind die Verwendung in elastischen Textilfasern, Autositzen oder Dämmstoffen.

Ein weiteres Beispiel ist das Projekt REDERS. Die Unternehmen TSR Recycling und thyssenkrupp Steel Europe arbeiten in Duisburg daran, Schrott zu hochwertigem Material zu recyceln. Dieses Recyclingmaterial soll im Hochofen eingesetzt und mit einem höheren Anteil als bisher dem Konverterprozess, also der Weiterverarbeitung zu Rohstahl, zugeführt werden. Dieses Verfahren spart Energie, CO2-Emissionen und auch wertvolle Rohstoffe ein.

Ebenfalls um Recycling geht es im Projekt C²inCO2. Thyssenkrupp Industrial Solutions, die RWTH Aachen und weitere Projektpartner entwickeln eine Technologie, in der Kohlenstoffdioxid in rezyklierten Altbeton eingebunden wird und dieser wieder als Baustoff zur Verfügung gestellt werden kann. Damit soll der CO2- und Stoffkreislauf in der Betonproduktion geschlossen werden.

Pressemitteilung zur Carbon Management Strategie NRW

Pressemitteilung des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie  zur Veröffentlichung des Handlungskonzepts Synthetische Kraftstoffe (Oktober 2021).

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Webseite zur Carbon Management Strategie NRW

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