Am Sorpesee im Sauerland fahren Passagiere bald emissionsfrei übers Wasser, auf dem Rhein könnte 2024 das erste Wasserstoff-Schiff in Betrieb gehen. Was im Einzelnen bereits gelingt, muss branchenweit zum Standard werden. Der Duisburger Hafen könnte mit einem einzigartigen Ansatz zu einer Keimzelle dieses Wandels werden.

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Ingenieurskunst an der Lux-Werft
Emissionsfreie Passagierschiffe

Die Lux-Werft aus Niederkassel hat entschieden, ihre Schiffe in Zukunft komplett elektrisch zu betreiben. Auf insgesamt vier Seen im Sauerland sollen Ausflügler und Naturfreunde bald emissionslos über das Wasser gleiten. Dafür werden die Schiffsmotoren mit Hilfe leistungsstarker Batterien angetrieben, die zugleich den Strom für alle anderen Prozesse an Bord bereitstellen. Kommt dabei grüner Strom zum Einsatz, erzeugen die Elektroschiffe keinerlei Schadstoffe – und sind zudem deutlich leiser unterwegs als ihre Diesel-betriebenen Vorgänger.

Wir als Lux-Werft wollen und müssen Vorreiter sein. Wir wollen einfach zeigen, dass es funktioniert.

Aleksander Farkas, Unternehmenssprecher der Lux-Werft & Schifffahrt GmbH

Wie klimafreundliche Schifffahrt funktioniert, demonstriert das Team der Lux-Werft mit seiner herausragenden Ingenieursarbeit. Bereits zwei Mal erhielt die Werft den Innovationspreis der Fachzeitschrift Binnenschifffahrt. Unter anderem für den Bau des derzeit größten Elektro-Fahrgastschiffes EMS Berg sowie für die Entwicklung des vollelektrischen Schiffes MS St. Nikolaus, dessen Batterien nachts als Pufferspeicher für das angrenzende Stromnetz einspringen.

Landstrom deckt den Energiebedarf der Schiffe

Dabei ist die ausreichende Stromversorgung für einen rein elektrischen Schifffahrtsbetrieb grundsätzlich schon eine herausfordernde Aufgabe. Denn ein „normaler“ Stromanschluss reicht nicht aus, um die Schiffsbatterien über Nacht vollständig aufzuladen. Hier kommen die sogenannten Landstromanlagen ins Spiel. Diese Anlagen verbinden die Schiffe mit dem Stromnetz an Land. Über einen Hochleistungstransformator kann der hohe Strombedarf gedeckt und die Batterien während der nächtlichen Anlegezeit komplett aufgefüllt werden.

Die Landesregierung unterstützt die Lux-Werft bei ihren ambitionierten Plänen für einen klimaschonenden Schiffsbetrieb. Anlässlich des Baus von vier Landstromanlagen hat das Land eine Fördersumme von 700.000 Euro für das Unternehmen bereitgestellt. Damit sind die Tage des Dieselantriebs auf dem Bigge-, Henne- und Sorpesee im Sauerland gezählt – und das in absehbarer Zeit. Am Sorpesee etwa ist die Umstellung auf einen reinen Elektrobetrieb für April 2023 angesetzt, weshalb die dortige Landstromanlage bereits im März fertiggestellt sein soll. Die Lux-Werft erkennt in der Elektrifizierung großes Potential, um die branchenspezifischen CO2-Einsparziele zu erreichen.

Auf gut 80 Prozent der Binnenwasserstraßen ist der Antrieb mit Strom für die Fahrgastschifffahrt eine tatsächliche Alternative, die bezahlbar und praktikabel ist. Die Batteriekapazität reicht aus, um den ganzen Tag fahren zu können.

Aleksander Farkas, Lux-Werft & Schifffahrt GmbH

Mit der Brennstoffzelle über Gewässer mit starker Strömung

Auch die Erprobung einer anderen Antriebsart hat Aleksander Farkas, mittlerweile Unternehmenssprecher der Lux-Werft & Schifffahrt GmbH, im Rahmen eines Forschungsprojekts in Essen bereits intensiv begleitet. Dort wurde mit der MS Innogy das erste Methanol-betriebene Brennstoffzellen-Fahrgastschiff in Europa gebaut. Die technische Erprobung der Antriebsart, die mit Methanol eine gebundene Form des Wasserstoffs nutzt, hat sich als erfolgreich erwiesen. Das Schiff kann etwa sechs Stunden lang im Brennstoffzellen-Betrieb fahren.

Als größere Herausforderung hatte sich dabei der Energieträger selbst herausgestellt: Abgesehen von den relativ hohen Kosten hatten die späteren Betreiber erhebliche Schwierigkeiten, überhaupt an ausreichende Mengen grünen Methanols zu gelangen. Gleichwohl kommt man in der klimafreundlichen Schifffahrt auf Gewässern mit starker Strömung um den Brennstoffzellen-Antrieb nicht herum. Denn die Batterien von Elektroschiffen bringen aktuell (noch) nicht die erforderliche Leistung, um zum Beispiel den Rhein einen ganzen Betriebstag entgegen seiner Strömung zu befahren. Die Frage ist nur: Wie an den dafür notwendigen Wasserstoff kommen?

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Vorhaben „Entwicklung H2-Versorgungskonzept“
Power für den Rhein und Co.

Möchte eine Reederei ihre Güter auf dem Rhein klimafreundlich transportieren, kann sie nicht einfach ein Brennstoffzellen-Schiff ins Wasser setzen. Für Schiffsneubauten mit dieser innovativen Antriebsart muss zuvor eine Betriebszulassung eingeholt werden. Voraussetzung für eine solche Genehmigung ist allerdings, dass eine verlässliche und ausreichende Versorgung mit Wasserstoff sichergestellt ist. Diese Vorgabe soll eben jene Schwierigkeiten vermeiden, denen die Betreiber der MS innogy gegenüberstanden.
Die Landesregierung unterstützt die Schiffsbauer und Reedereien ganz konkret dabei, den Genehmigungsvorbehalt zu erfüllen – und fördert die Entwicklung eines Wasserstoff-Versorgungskonzepts für Binnenschiffe mit Brennstoffzellenantrieb im Rahmen der RH2INE-Initiative.

Das nun von uns geförderte Wasserstoff-Versorgungskonzept ist eine wichtige Grundlage, damit der Antriebswechsel bei Binnenschiffen deutlich beschleunigt wird. Ich bin überzeugt davon: Die Zukunft der Binnenschifffahrt ist grün!

Mona Neubaur, Wirtschafts- und Klimaschutzministerin

 

Das Vorhaben zielt darauf ab, ein standardisiertes Konzept für den Aufbau einer tragfähigen Infrastruktur zu entwickeln. Das umfasst beispielsweise Art und Anzahl der benötigten Wasserstoff-Tankstellen, Wechselcontainer, Leitungen und Anschlüsse.

Das Konzept soll im November 2023 vorliegen und damit die Voraussetzung dafür schaffen, ein weiteres Ziel der Landesregierung zu erreichen: Bis 2030 sollen in Nordrhein-Westfalen zehn Brennstoffzellen-Binnenschiffen unterwegs sein.

RH2INE-Initiative

„RH2INE“ ist eine gemeinsame Initiative des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen und der Provinz Südholland zum Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur in den Häfen von Rotterdam, Duisburg, Düsseldorf und Köln. Übergeordnetes Ziel ist es, einen klimaneutralen Transportkorridor „Rhein-Alpen“ zu errichten und den Einsatz von Wasserstoff im Güterverkehr voranzutreiben. Mehr erfahren

Pionierarbeit am duisport: Komplexe Systeme zur Harmonie führen

Alexander Garbar geht davon aus, dass Mitte 2024 das erste wasserstoffbetriebene Binnenschiff auf dem Rhein unterwegs sein wird. Der Leiter der Unternehmensentwicklung der Duisburger Hafen AG duisport erkennt eine hohe Innovationsbereitschaft auf dem Markt, wenn es um die Entwicklung alternativer Antriebsmöglichkeiten geht. Der Duisburger Hafen, von Beginn an Teil der RH2INE-Initiative, will die Schifffahrtsunternehmen und -operateure beim Umstieg unterstützen. Das heißt vor allem, die entsprechenden Zeitstränge, Standards und Bedarfe zu kennen, um die erforderliche Infrastruktur bereitstellen zu können.

 

Technologieoffenheit und ihre Tücken

Genau dort ergibt sich allerdings eine Herausforderung: Aktuell ist nicht klar, welcher Antriebsstrang sich auf Wasserstraßen mit starker Strömung durchsetzen wird. Technisch möglich sind einige Optionen: Wasserstoff, Methanol, Ammoniak, Natriumborhydrid oder auch Strom – falls die Batterieforschung zeitnah eine große Steigerung der Leistungskapazität hervorbringt. Die notwendigen Versorgungsstrukturen für all diese Optionen parallel bereitzustellen, wäre wirtschaftlich betrachtet jedoch kaum darstellbar. Zudem ist die Entscheidung für eine Technologie mit hohen Investitionskosten sowie einer langfristigen Perspektive verbunden. Ein neu gekauftes Schiff ist beispielsweise bis zu 60 Jahre lang im Einsatz. Doch die Branche zeigt sich engagiert, einen vielversprechenden Pfad auszumachen, um die Vorgaben zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu erfüllen.

Ich bin optimistisch, dass die Binnenschifffahrt ihre Ziele erreichen wird. Man hat mittlerweile verstanden, dass sich etwas bewegen muss – die Frage ist lediglich, wie schnell wir ans Ziel kommen.

Alexander Garbar, Leiter der Unternehmensentwicklung bei duisport – Duisburger Hafen AG
Visualisierung des geplanten Duisburg Gateway Terminal, das auf einer ehemaligen Kohleninsel als Modellprojekt für die Zukunft der Logistik entsteht.
© duisport
Visualisierung des geplanten Duisburg Gateway Terminal, das auf einer ehemaligen Kohleninsel als Modellprojekt für die Zukunft der Logistik entsteht.

Klimaneutralität als ganzheitliche Systemlösung

Zahlreiche Möglichkeiten, vielfältige Technologien und diversifizierte Strukturen: Wie hilfreich wäre da ein übertragbares Konzept für die Energieversorgung von Binnenhäfen?

Diesen Gedanken hat das Projektteam von enerPort II am Duisburger Hafen zu Ende geführt und in die praktische Umsetzung gebracht: Im März 2022 war der Spatenstich für das erste klimaneutrale Containerterminal Europas. Das Terminal soll bereits 2024 in Betrieb gehen und im Endausbau zum Umschlagplatz für 850.000 Container pro Jahr werden. Auf 235.000 Quadratmeter entsteht dort aktuell ein nachhaltiges Energiesystem, das mit Hilfe von Wasserstoff vollkommen klimaneutral betrieben wird.

Das neuartige Energiekonzept sieht eine intelligente Kopplung von Erzeugung und Verbrauch vor: Photovoltaikanlagen, Brennstoffzellen und Blockheizkraftwerke mit Wasserstoffantrieb erzeugen grüne Energie, die in elektrischen und thermischen Energie- sowie in Wasserstoffspeichern vorgehalten wird. Landstromanlagen, Ladesäulen, Krananlagen und angrenzende Quartiere sind als Verbraucher an das intelligente Energienetz angeschlossen. Auf diese Weise sollen Energiewirtschaft, Produktion, Logistik, urbaner Raum und Mobilität bestmöglich voneinander profitieren und sich gegenseitig optimieren.

Wir versuchen im Rahmen von enerPort verschiedenste Systeme so zu kombinieren, dass ein möglichst effizienter, klimaneutraler Betrieb entsteht. Wir nutzen dafür ein Sammelsurium aller Bausteine, die gegenwärtig verfügbar sind.

Alexander Garbar, duisport – Duisburger Hafen AG

 

Keimzelle für die klimaneutrale Zukunft der Logistik

Das Projekt kann damit einen wichtigen Beitrag für die Transformation der gesamten Branche leisten. Die Forschenden haben das Gesamtkonzept so entwickelt, dass es leicht auf andere Binnenhäfen und Terminals übertragen werden kann. Der modulare Aufbau des Energiesystems erlaubt es – je nach den Gegebenheiten vor Ort – einzelne Bausteine auszusparen, weiterzuentwickeln oder zu ergänzen. Anders ausgedrückt: Das Terminal ist eine „Keimzelle für den Transformationsprozess“, wie Alexander Garbar es zusammenfassen würde.

„Pionierarbeit am duisport“: Luftbild der ehemaligen Kohleninsel, auf der das Duisburg Gateway Terminal entsteht. © duisport/Hans Blossey

Stand: März 2023