Urbane Energielösungen

Erfolgsfaktor Stadt

In Nordrhein-Westfalen leben fast 50 Prozent der Bevölkerung auf nur 14 Prozent der Landesfläche. Dort, nämlich in den Städten, konzentrieren sich die Herausforderungen der neuen Energiewelt auf engstem Raum. Es lohnt sich daher, das Energiesystem in den Städten zu optimieren. Die hundert Städte mit dem größten CO2-Fußabdruck produzieren zusammen fast 20 Prozent des weltweiten CO2- Ausstoßes. Darin zeigt sich die Relevanz der Städte für das Energiesystem der Zukunft: Wenn wir die Klimaschutzziele von Paris erreichen wollen, ist die Transformation zu einem nachhaltigen Energiesystem in den Städten zwingend notwendig. Nicht nur in Köln, sondern in ganz Nordrhein- Westfalen. Denn das Land – und insbesondere die Rhein- Ruhr-Region – ist die bevölkerungsreichste Metropolregion Deutschlands und eine der größten in Europa.

Konzepte über Gebäude- und Sektorengrenzen hinweg

Es gilt, urbane Energielösungen zu finden. Das kann gelingen, indem die Energieversorgung von Städten nachhaltig gestaltet wird und die Potenziale der lokalen, klimagerechten Energieerzeugung und der Energieeffizienz ausgeschöpft werden. Um mit räumlich überschaubaren Einheiten arbeiten zu können und gleichzeitig die Vorteile des Verbundes von mehreren Erzeugern und Verbrauchern zu nutzen, bietet sich das Quartier als Betrachtungsraum an. Der Begriff „Quartier“ ist dabei nicht fest definiert. Ein räumlicher Zusammenhang muss gegeben sein, Größe und Nutzung können jedoch variieren. Die Spanne reicht von Wohnquartieren über Innenstadtviertel, die durch den Einzelhandel geprägt sind, bis hin zu Gewerbegebieten. Gemeinsam ist allen Quartieren jedoch, dass nicht nur einzelne Häuser, sondern das Energiesystem in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang und über Gebäudegrenzen hinweg betrachtet wird. 

70 Prozent
Zahlen bitte

Im Jahr 1900 lebten nur rund 10 Prozent der Menschen in Städten – im Jahr 2050 werden es weltweit 70 Prozent sein. Das prognostizieren die Vereinten Nationen (UNO). Wohlstand und Wirtschaftskraft, aber auch Energiebedarf und Ressourcenverbrauch werden sich damit zunehmend auf die Städte konzentrieren.

Sektorenkopplung als vielversprechende Lösung

Gerade im Quartiersbereich ergibt sich die Chance, Erzeugung und Verbrauch neu miteinander zu verknüpfen: Strom aus einer Photovoltaikanlage kann zum Beispiel für mehrere Haushalte genutzt werden oder auch zum Laden von Elektroautos. Das Verbinden von Sektoren, die traditionell wenig miteinander zu tun haben – wie die Wohnung heizen und das Auto laden – wird als „Sektorenkopplung“ bezeichnet. Und eine intelligente Verknüpfung dieser Sektoren Strom, Wärme/Kälte und Mobilität bietet in Quartieren große Potenziale für die Energiewelt von morgen und für effektiven Klimaschutz. 

Mit der Sektorenkopplung wird auch die Digitalisierung immer wichtiger. Sie ist ein Schlüsselwerkzeug, denn Digitalisierung ermöglicht die integrierte, effiziente Nutzung von Energieinfrastrukturen und innovativen Konzepten. Grundlage für die Digitalisierung des Energiesystems sind effektive Steuerungsmöglichkeiten, die wiederum auf digitalen Technologien wie etwa intelligenten Messsystemen – sogenannten Smart Meter – beruhen. Solche Steuerungsmöglichkeiten werden benötigt, um die Energieanlagen stetig überwachen und steuern zu können und damit die Verbraucher bedarfsgerecht mit Energie versorgen zu können.

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Fernwärmeleitungen im urbanen Raum.

Herausforderung liegt im Bestand

Eine gesteigerte Energieeffizienz und ein reduzierter Energiebedarf sind entscheidende Größen, wenn es um urbane Energielösungen geht. Bei Neubauten ist man im Vorteil: Mit hohen Gebäudestandards können erneuerbare Erzeugungstechnologien den Strom- und Wärmebedarf des Gebäudes abdecken und darüber hinaus Strom zum Beispiel zum Laden von Elektrofahrzeugen bereitstellen. Den Großteil der Städte machen jedoch Bestandsgebäude aus, die einen deutlich höheren Heizwärmebedarf – und zunehmend auch Kältebedarf zur Kühlung in den Sommermonaten – haben. Hier gilt es, energetische Gebäudesanierungen, neue innovative Gebäudetechnologien und vorhandene Strom-, Gas- und Wärmeinfrastrukturen optimal zu kombinieren. Im Gebäudebestand liegt also die Herausforderung.

Enorme Potenziale für Nordrhein-Westfalen

Nordrhein-Westfalen engagiert sich durch verschiedene Förderprogramme für urbane Energielösungen. Im Programm „100 Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen“ werden Bestandsquartiere energetisch saniert und Neubauquartiere mit neuen Technologien ausgestattet. So kann in den 96 ausgezeichneten Siedlungen der energetische Standard von neun Kilogramm CO2 pro Quadratmeter und Jahr für Heizung, Warmwasser und Hilfsenergie eingehalten werden. Auch die 25 geförderten Projekte des Aufrufs „KommunalerKlimaschutz.NRW“ zeigen, dass die Kombination verschiedenster Maßnahmen, oftmals über Gebäudegrenzen hinweg, enorme Potenziale zum Einsparen von CO2 birgt.

Das große Ziel ist der klimaneutrale Gebäudebestand bis zum Jahr 2050 mit intelligent gekoppelten und klimafreundlichen Quartieren. Auf dem Weg dorthin sind noch einige Herausforderungen zu meistern sowie Instrumente und Vorgehensweisen zu erforschen, weiterzuentwickeln und zu erproben. Dabei können wir uns auf die vielfältigen Erfahrungen stützen, die wir bereits gesammelt haben – und den Weg zu einer lebenswerten Stadt der Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Interview mit Dr. Rainer Fuchs, Prof. Dr. Rita Streblow und Ralf Winnemöller
„Forschung und Praxis: gemeinsam stark“

© VIVAWEST

Dr. Rainer Fuchs ist Bereichsleiter Strategie bei der Vivawest Wohnen GmbH. Das Unternehmen verfolgt ein nachhaltiges und auf Langfristigkeit ausgerichtetes wohnungswirtschaftliches Geschäftsmodell, das ökonomischen Erfolg mit der gleichzeitigen Übernahme von ökologischer und sozialer Verantwortung verbindet.

© RWTH Aachen

Professorin Dr. Rita Streblow forscht an der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen an urbanen Energielösungen. Gleichzeitig hält sie die Professur „Digitale Vernetzung von Gebäuden, Energieversorgungsanlagen und Nutzenden“ im Rahmen des Einstein Center Digital Future, dem Zentrum für Digitalisierungsforschung in Berlin.

© Buderus

Ralf Winnemöller ist Diplom-Ingenieur für Energie- und Umweltschutztechnik mit langjähriger Erfahrung in der Solarbranche. Bei Buderus/Bosch liegt sein Schwerpunkt auf thermischen Großanlagen und insbesondere auf Systemlösungen mit effizienten Wärmenetzen und erneuerbaren Energien.

Wo steht die Forschung im Bereich urbane Energielösungen?

Streblow: In den letzten Jahren hat sich die Sektorenkopplung als wichtiger Baustein für mehr Energieeffizienz erwiesen. Erste Grundlagen und Ansätze, in denen die einzelnen Sektoren als zusammenhängendes System betrachtet werden, wurden im Rahmen von Forschungsaktivitäten entwickelt. Untersucht wurde auch, welche Anforderungen an Gebäude gestellt werden müssen, die mit dem Energienetz interagieren. Aktuell zeichnet sich ab, dass wir die Sektorenkopplung um weitere Themen ergänzen müssen. In ersten Forschungsprojekten werden daher Mobilität und Logistik als zusätzliche Komponenten adressiert.

Fuchs: Damit die Sektoren miteinander verknüpft werden können, müssen die unterschiedlichsten Akteure zunächst lernen, auf Augenhöhe miteinander zu kooperieren. Für die Realisierung urbaner Energielösungen sind das Unternehmen aus der Industrie, der Wohnungswirtschaft, der Energiewirtschaft sowie Mobilitätsanbieter. Die Forschung spielt insbesondere für ein umfassendes Monitoring und praxisorientierte Entwicklungen eine tragende Rolle.

Winnemöller: Ein Schwerpunkt der urbanen Energielösungen wird in der kalten Nahwärme liegen. Dieses Wärmenetz wird als „kalt“ bezeichnet, da es auf vergleichsweise niedrigem Temperaturniveau betrieben wird und kaum spürbare Temperaturverluste erfährt. Die Wärmezufuhr sollte vordergründig aus diversen Abwärmequellen wie Grubenwasser, Industrie, Seen, Flüssen, warmen Quellen, etc. stammen.

Streblow: In den letzten Jahren konnte in den Städten ein kontinuierlicher Zubau an Kühllösungen beobachtet werden. Dieser Bedarf wird bisher kaum beachtet, dabei ist gerade hier eine gesamtsystemische Betrachtungsweise wichtig. Denn Einzellösungen sind weder energetisch noch wirtschaftlich oder infrastrukturell sinnvoll. Kalte Wärmenetze sind daher ein wichtiger Ansatz. In solche Netze können die Verbraucher sowohl Leistung einspeisen als auch Leistung daraus entnehmen: Das Heizen funktioniert mittels Wärmepumpen, die sich der Wärme aus dem Netz bedienen und es auf das gewünschte Temperaturniveau anheben. Kühlen erfolgt über zwischengeschaltete Kältemaschinen, die Energie an das Netz abgeben. Der Netzbetrieb läuft also in zwei Richtungen und ermöglicht Kühlen und Heizen gleichzeitig. Wegen dieser komplexen Funktionsweise gibt es für kalte Wärmenetze aber noch erheblichen Forschungsbedarf.

Im Kontext des multifunktionalen Betriebs gewinnen auch Großwärmepumpen stetig an Relevanz. Um hier bestmögliche Effizienzwerte zu jedem Zeitpunkt zu erzielen, müssen neue Methoden entwickelt werden. Ein vielversprechendes Werkzeug ist der sogenannte digitale Zwilling. Er beinhaltet Daten, Algorithmen und häufig auch Simulationsmodelle und bildet so die realen Gegebenheiten in der digitalen Welt akkurat nach. Über Simulationen im digitalen Zwilling können Verhaltens- und Nutzungsweisen in der realen Welt vorhergesagt und der Betrieb von Technologien und Netzen optimiert werden. Generierung und Einsatz des digitalen Zwillings für den praktischen Betrieb müssen aber noch weitgehend erforscht werden.

Winnemöller: Der Schlüssel zum Erfolg wird die intelligente Regelung aller Energiequellen und -verbraucher sein. So könnte das gesamte Quartier mit Blick auf Wärme und Strom, sowie Ökologie und Ökonomie optimiert werden. Bei einem solchen „Quartiersmanager“ wird zunehmend auf künstliche Intelligenz gesetzt – die allerdings sicherlich noch im Anfangsstadium befindet und daher ein Forschungsfeld ist.

Fuchs: Eine solche zukünftige Überwachung und Steuerung von urbanen Energielösungen muss die bisherigen Smart-Building-Ansätze integrieren und deutlich darüber hinausgehen.

Streblow: Grundsätzlich müssen Lösungen gefunden werden, die sowohl im Sinne von Gebäudebesitzern, Betreibern und Anlagenherstellern sind, als auch den klimapolitischen Gesamtzielen dienen. Zum Beispiel sollte aus Sanierungsmaßnahmen im Baubestand technisch, wirtschaftlich und ökologisch das Beste herausgeholt werden. Solche übergreifenden Quartierskonzepte zu entwickeln, ist eine komplexe Planungsaufgabe, die mit vielen Forschungsfragestellungen verbunden ist.

Das übergreifende, intelligente und sich ergänzende Zusammenspiel von technischen Lösungen und Akteuren ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg. Und seine Basis ist die Verfügbarkeit von Daten sowie die einheitliche Datenerfassung und -verarbeitung. Nur so können nutzerspezifische Lösungen entwickelt werden, die – wenn sie konsequent in der Praxis umgesetzt werden – einen entscheidenden Beitrag zu Energieeffizienz und Klimaschutz leisten können.

Welche Instrumente brauchen die Praktiker von der Forschung?

Fuchs: Was Wohnungsunternehmen vor allem helfen würde, wären Technologien, mit welchen die Klimaschutzziele realisiert werden können. Dies betrifft insbesondere Heizungstechnologien auf Basis von erneuerbaren Energien, die nicht nur im Neubau, sondern vor allem auch im Wohnungsbestand eingesetzt werden können. Aufgrund der Bestandsstruktur und der Situation in den Gebäuden gibt es häufig Einschränkungen, zum Beispiel aufgrund von Schallschutz, benötigten Vorlauftemperaturen oder baulichen Anforderungen. Deshalb können viele der neueren Technologien dort in der Regel nicht eingesetzt werden.

Die Versorgungssicherheit der Mieter besitzt für Wohnungsunternehmen die oberste Priorität. Im Falle einiger Technologien ist die Ausfallsicherheit nicht in dem Maße gewährleistet, wie dies bei konventionellen Verbrennungstechnologien der Fall ist. Aus diesem Grund wird derzeit bei Technologien, wie Wärmepumpen und Blockheizkraftwerken, ein zweites, eigentlich unnötiges System auf Basis von herkömmlichen Verbrennungstechnologien installiert. Solche doppelten Infrastrukturen sind weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Eine unserer Erfahrung nach sichere und effiziente – wenn auch aktuell noch sehr teure – Lösung wäre die Wärmeversorgung auf Basis von Wasserstoff über Brennstoffzellen. Für diesen Bereich würden wir uns daher weitere Förderung und Forschung wünschen.

Winnemöller: Für urbane Energielösungen spielen die Planer eine tragende Rolle, denn sie müssen nicht nur die Energie-Infrastrukturen planen, sondern auch sektorenübergreifend denken. Das beinhaltet zahlreiche Herausforderungen wie eine möglichst autarke Stromversorgung im Quartier, die sowohl Stromerträge aus Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerken berücksichtigt, als auch die Dimensionierung von Batteriespeichern und das Lastprofil von Ladesäulen. Aufgabe von Planern ist des Weiteren das Energiemanagement, das für urbane Energielösungen deutlich komplexer ist als für klassische Konzepte der Wärmeversorgung. Und auch weitere relevante Bereiche wie Sicherheit, Verkehrsmanagement, E-Mobilität und Dienstleistungen durch bürgernahe Apps müssen Planer beachten. Kompetenzaufbau bei Planern – aber auch bei Handwerkern – sehen wir als Hersteller energieeffizienter Technologien daher als eine der großen Herausforderungen.

Streblow: Aus den komplexen Forschungsergebnissen müssen wir einfache und klar strukturierte Handlungsempfehlungen für die Praxis ableiten. Dafür müssen die Ergebnisse aus Forschungsprojekten aufbereitet und in die bereits vorhandenen Fortbildungsprogramme für Praktiker integriert werden. Klassische Fortbildungen können dabei durch neuere Formate wie webbasierte Trainings, Webinare, Wikis und Social-Media-Aktivitäten ergänzt werden.

Wie erfolgreich ist die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis?

Winnemöller: Wir aus der Industrie begrüßen übergreifende Zusammenarbeit von Forschung und Praxis, wie sie zum Beispiel in den Reallaboren des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie umgesetzt wird. Dort wird gemeinschaftlich an den Feldern Sektorenkopplung, Wasserstofftechnologien, großskalige Energiespeicher im Stromsektor und energieoptimierte Quartiere gearbeitet. Solche gemeinsamen Projekte – gleichermaßen aber auch Rahmenbedingungen wie unbürokratische Antragstellungen und schnelle Umsetzung von Projekten – können den Weg ebnen für großangelegte Anwendungen und Technologieplattformen seitens der Industrie.

Streblow: Die Kooperation von Forschung und Praxis ist sehr wichtig und erfordert einen kontinuierlichen Austausch zwischen allen Akteuren. Wir nehmen allerdings wahr, dass lange Bewilligungszeiträume für die Förderung von Forschungsprojekten und der hohe administrative Aufwand bei der Durchführung häufig Hemmschwellen für die Partner aus der Praxis sind. In der Forschung wünschen wir uns daher kurzfristige Forschungsförderungen, um noch intensiver mit den Praxispartnern zusammenarbeiten zu können.

Fuchs: Für uns als Wohnungsunternehmen sind vor allem anwendungsorientierte Forschungsprojekte interessant. Dabei konzentrieren wir uns insbesondere darauf, neue Technologien auf Ihre Einsatzfähigkeit im betrieblichen Alltag zu prüfen – denn dies ist entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung vor Ort.

Leuchtturmprojekt

In der Biologie ist ein Ökosystem ein Lebensraum und alle darin lebenden Organismen. Dieses Bild wird im Open District Hub neu interpretiert: Ökosystem meint hier drei intelligente und sich ergänzende Systeme, die ökologische und ökonomische Vorteile bringen – und damit wertvoll sind für den (urbanen) Lebensraum und alle darin lebenden Organismen (Menschen).

Open District Hub - intelligente Energieversorgung im Quartier

Der traditionelle Ansatz, die Energieversorgung und -steuerung für jedes Gebäude individuell zu betrachten, ist heute noch überwiegend die Regel. Dies gilt insbesondere für Bestandsbauten, deren Infrastrukturen aus den vergangenen Jahrzehnten stammen. Diese klassischen Strukturen erschweren einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien und das Zusammenwirken unterschiedlicher Technologien. Darüber hinaus fehlt es oftmals an Daten, Methoden und Softwarelösungen.

Lösungen für komplexe Problemstellungen

Lösungen in Form eines Ökosystems aus Informations- und Kommunikationstechnologien erarbeitet das Projekt „ODH@Bochum-Weitmar“ von Oktober 2019 bis September 2022. Dieses Ökosystem wird über ein Quartiersplanungssystem, einen digitalen Marktplatz und ein selbstlernendes Energiemanagementsystem entwickelt. Mit dem Quartierplanungssystem begegnet man der Komplexität der modernen Energiewelt: Maßnahmen zur Energieeffizienz müssen mit unterschiedlichen erneuerbaren Energiequellen kombiniert und durch Mobilitätskonzepte ergänzt werden. Über den digitalen Marktplatz können Anwohner untereinander besser vernetzt und Produkte und Dienstleistungen wie beispielsweise Mobilitätslösungen, Co-Working- Spaces, Strom- und Wärmebezug sowie Reparatur- oder Lieferservices angeboten werden. Solche Leistungen können von externen Anbietern, lokalen Gewerbetreibenden oder von den Bewohnern selbst kommen. Das Energiemanagementsystem kommuniziert unter anderem mit dem digitalen Marktplatz und kann dort zum Beispiel Energieprodukte anbieten oder nachfragen. Für solche Aktivitäten sind die Vorhersage von Verbrauchs- und Einspeisezeiten sowie die Optimierung der Energiesysteme wichtige Merkmale – auch um das Quartier möglichst kostengünstig versorgen zu können. Die Vorhersage- und Optimierungsmodelle laufen datengetrieben und automatisiert ab, sodass sich das Energiemanagementsystem, basierend auf künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen, weiterentwickelt.

Gewinn für das ganze Land

Erprobt und erforscht wird das Ökosystem des Open District Hubs in dem Quartier Bochum-Weitmar. Es ist geprägt durch Mehrfamilienhäuser aus den 50er und 60er Jahren, die für die damalige Zeit typisch und heute gegebenenfalls sanierungsbedürftig sind. Dabei zeigt das Ökosystem doppelte Wirkung: erstens wird in den Gebäuden Energie eingespart und zweitens werden weitere, für Energieversorgung und -verbrauch relevante Sektoren wie Verkehr, Versorgung vor Ort oder Anonymität positiv beeinflusst. Da sich ähnliche Quartiere wie in Bochum-Weitmar in ganz Deutschland finden, lassen sich die durch den Open District Hub erzielten Erkenntnisse und Methoden weiträumig übertragen.

Schlaglicht Geothermie

Der Untergrund bleibt ein zentrales Element

Auch nach dem Ende des fossilen Energiezeitalters bleibt der unterirdische Raum ein zentrales Element für den Energiesektor. Insbesondere für die Gewinnung und Speicherung von Wärmeenergie und Energierohstoffen ist der Untergrund von besonderer Bedeutung – und damit auch die zukünftigen vernetzten Energieinfrastrukturen.

Weltweit sind die Technologien und das Know-how zur Nutzung des Untergrunds in nur wenigen Regionen so konzentriert vorhanden wie in den west- und ostdeutschen Bergbaurevieren. Die dort ansässigen Unternehmen der traditionellen Energiebranche wird die Fraunhofer- Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie bei der Umstellung ihres Technologieportfolios auf CO2-arme Verfahren unterstützen.

© Krekau
Prof. Dr. Rolf Bracke, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG)

Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie

Die Geothermie hat das Potenzial, in Zukunft eine zentrale Rolle für die Energieversorgung zu spielen. So kann sie beispielsweise Fernwärmenetze speisen, wenn fossil betriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen aus dem Netz gehen. Um Technologien wie diese, die die Sektoren Wärme, Strom und Verkehr miteinander verknüpfen, zu testen und zur Marktreife zu bringen, wurde Anfang 2020 die neue Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) gegründet. An vier Standorten in Nordrhein-Westfalen sowie weiteren Standorten in Brandenburg und Sachsen wird das Institut an vielfältigen Themenfeldern wie Energieinfrastruktur, Sektorenkopplung, Wasserstofftechnologie und Georessourcen mit Geothermie forschen. Geleitet wird die neue Einrichtung von dem Geowissenschaftler Professor Dr. Rolf Bracke und dem Physiker Professor Dr. Mario Ragwitz.

© PtJ/A. Köbler
Gebäude des Geologischen Dienstes NRW in Krefeld.

Geologischer Dienst NRW

Der Geologische Dienst NRW ist die geowissenschaftliche Einrichtung des Landes Nordrhein- Westfalen und erkundet den Untergrund im gesamten Bundesland. Die Themenfelder erstrecken sich von Geologie, Bodenkunde, Rohstoffen und Grundwasser über geophysikalische beziehungsweise geotechnische Untergrundeigenschaften bis hin zur Geothermie.

Die erhobenen Daten sind zum Beispiel Grundlage für die Planung von Bauwerken, sichern die nachhaltige Nutzung von Rohstoff- oder Energie- vorkommen und weisen auf Geogefahren wie Erdbeben hin. Viele dieser Informationen sind über Onlinedienste frei verfügbar.

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