Emissionsarme Mobilität

Klimafreundlich unterwegs

Diversität ist aktuell wie nie. Wir verstehen sie heute vor allem in einem gesellschaftlichen Zusammenhang. In Zukunft werden aber auch Mobilität und Diversität eng zusammengehören. Für die Menschen wird es neue Konzepte der Mobilität geben und für die Fahrzeuge vielfältige Antriebsmöglichkeiten. Wir werden weiterhin mobil sein – auf diverse Art und Weise. Seit jeher ist die Mobilität Ausdruck von Freiheit, Unabhängigkeit, Individualität und Selbstbestimmung. Natürlich werden diese Werte hochgehalten und verteidigt. Doch ist Verteidigung notwendig? Klimaschutz bedeutet nicht das Ende der Mobilität. Im Gegenteil: Die neuen Technologien haben das Potenzial, die Mobilität modern und attraktiv zu gestalten, die Lebensqualität zu steigern und das Klima zu schützen. Auch der Wirtschaft steht der Klimaschutz nicht entgegen. Vielmehr ist er ein Treiber für Innovation, Forschung, Entwicklung, Effizienz und Optimierung. Nordrhein-Westfalen liegt zentral im europäischen Verkehrsnetz und beheimatet jedes dritte Unternehmen aus dem Automotive-Sektor. Gleichzeitig sind die nordrheinwest- fälischen Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen bestens miteinander vernetzt. Insgesamt bieten sich damit ideale Voraussetzungen, um neuartige Mobilitätskonzepte zu erforschen, zu entwickeln und anzuwenden. Solche neuen Mobilitätskonzepte bedeuten vor allem einen Mobilitätsmix – und das gleich in zweifacher Hinsicht: ein Mix der Mobilitätsformen und des Antriebs. 

45 Millionen
Zahlen bitte

Experten für emissionsarme Mobilität forschen nicht nur an Technologien für neue und innovative Fahrzeuge, sondern beschäftigen sich auch mit der aktuellen Flotte. Auch diese Autos mit konventionellem Antrieb sind Bestandteil der Energiewelt von morgen und müssen fit gemacht werden für die Zukunft. Allein in Deutschland betrifft das rund 45 Millionen Fahrzeuge.

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Mobilität neu gedacht: Als intelligentes Mobilitätsmodell mit diversifizierten Strukturen, Antriebs- und Nutzungsmöglichkeiten.

Für jeden Bedarf das passende Mobilitätsangebot

Nicht nur der grundsätzliche Bedarf an Mobilität ist mit den Jahren gestiegen, sondern auch die Vielfalt an Mobilitätsanlässen: berufliches Pendeln, Schulweg, Familienbesuche, Arzttermine, Shopping, Freizeitaktivitäten, Urlaub, Geschäftsreisen. Wir sind unterwegs. Immer! Und während wir unterwegs sind, nutzen wir Smartphones und mobiles Internet, starten Video- und Telefonkonferenzen. Und für jeden Bedarf brauchen wir das passende Mobilitätsangebot. Lösungen könnten Mobilitätssysteme sein. Bisher für sich stehende Verkehrsmittel könnten so zu einem Angebot verknüpft werden, das alle verfügbaren Mobilitätsformen bündelt und eine effiziente, kombinierte, bedarfsgerechte und vernetzte Mobilität ermöglicht. Ebenso stehen der Güterverkehr und die Logistik vor der Herausforderung, mehr Transporte und Mobilität mit weniger Emissionen zu ermöglichen. Hier gilt es, durch intelligente Technologien und Infrastrukturen, digitalisierte Abläufe, optimierte Transportrouten und die Vernetzung der Verkehrsträger zu einer Reduzierung der Verkehrsströme und zu einer emissionsarmen Mobilität beizutragen.

Harmonischer Dreiklang: Batterie, Brennstoffzelle, Wasserstoff

Auch in Sachen Antrieb wird auf bedarfsgerechte Lösungen gesetzt. Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge mit Reichweiten von 100 bis 200 Kilometern und Batterieladezeiten ab 30 Minuten sind energieeffizient und für einen Großteil der PKW-Fahrten geeignet. Bei größeren und schwereren Fahrzeugen, beziehungsweise wenn die Reichweite größer oder die Ladezeit kürzer sein muss, rücken Transportmittel mit Wasserstoff-betriebenen Brennstoffzellen in den Vordergrund. Werden die beiden Technologien Batterie und Brennstoffzelle kombiniert genutzt, lassen sich die Vorteile aus beiden Welten nutzen: der gute Wirkungsgrad auf kurzen Strecken und eine hohe Reichweite bei Bedarf. Auch mit Blick auf die benötigten Rohstoffe und die verfügbaren Ressourcen macht es Sinn, beide Technologien parallel einzusetzen. Für die Herstellung von Batterien werden heute noch große Mengen an Lithium, Kobalt, Nickel und Mangan benötigt. Das soll sich in Zukunft ändern: Forschung und Entwicklung arbeiten zum einen an Batterien, die mit weniger Rohstoffen auskommen, und zum anderen an Recyclingsystemen zur Wiederverwendung von Rohstoffen. Brennstoffzellen dagegen bestehen aus Stahl, Kohlenstoff und etwas Platin als Katalysator. Sie greifen also auf völlig andere Ressourcen zurück und verringern damit die Abhängigkeit von Batterierohstoffen. Damit sich Brennstoffzellen etablieren können, müssen vor allem die Produktion gesteigert und die Kosten gesenkt werden. Weitere Forschung, Entwicklung und Demonstration sind also sowohl für die Batterietechnologie als auch für die Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnologie essenziell.

Synthetische Kraftstoffe und Güterverkehr

Des Weiteren kann Wasserstoff als Basis für synthetische Kraftstoffe eingesetzt werden. Synthetische Kraftstoffe werden in vielen nordrhein-westfälischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen erforscht, entwickelt und erprobt. Auch Gaskraftstoffe haben Potenzial zum Klimaschutz und können durch weitere erneuerbare Komponenten noch klimaschonender werden. Insbesondere im Güterverkehr, wo für Gaskraftstoffe sowohl die Infrastrukturen als auch die Fahrzeuge bereits entwickelt und wirtschaftlich verfügbar sind, wird die Markteinführung der Gasmobilität deutlich leichter.

Interview mit Prof. Dr. Martin Winter
„Die Geschichte der Energie und Mobilität mitbestimmen“

© J. Kraft
Prof. Dr. Martin Winter ist wissenschaftlicher Leiter des Batterieforschungszentrums Münster Electrochemical Energy Technology (MEET) und Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts Münster (HI MS). Mit seinem Team forscht er entlang des gesamten Wertschöpfungskreislaufs von Batterien. Die Arbeit reicht von der Optimierung der bewährten Lithium-Ionen-Technologie über aktuelle Weiterentwicklungen wie Festkörperbatterien.

Leistungsfähige Energiespeichersysteme werden immer wichtiger, zum Beispiel für Elektrofahrzeuge oder um Energie aus erneuerbaren Quellen zu speichern. Die Entwicklung und Fertigung von Akkumulatoren, also wiederaufladbaren Batterien, findet derzeit vor allem in Asien statt. Im vergangenen Jahr gab es nun Ankündigen, Batteriezellfertigung gerade auch in Deutschland aufzubauen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklungen?

Winter: Für Deutschland und Europa ist diese Entwicklung sehr positiv. Gegenüber Asien haben wir eine Aufholposition. Um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu sein, ist es immens wichtig, alle Elemente der Wertschöpfungskette industriell abdecken zu können – also von der Idee, über die Entwicklung, Herstellung und Anwendung bis hin zu Entsorgung und Wiederverwertung. Es geht also nicht nur um die Fertigung der Batteriezelle, sondern beispielsweise auch um das Recycling. Anders formuliert: Wenn die deutsche Industrie überall mit dabei ist, können wir die weitere Geschichte der Energie- und Mobilitätswende aus führender Position mitbestimmen.

Wie schätzen Sie die Chancen für europäische Unternehmen ein? Und welche Unterstützung kann die Politik leisten?

Winter: Wir haben in Europa eine starke Chemieindustrie, einen starken Maschinenbau und eine starke Elektrotechnikindustrie. Wir stellen Materialien her, bauen Batteriesysteme und Elektroantriebe. Zwar können wir auch gute Batteriezellen herstellen, jedoch haben es die europäischen Hersteller bisher nicht geschafft, die Zellen in Großserie zu produzieren – vor allem nicht kostengünstig. Dabei gibt es bei der Lithium-Ionen-Technologie noch große Innovationsmöglichkeiten: Die heutigen Prozesse der Batteriefertigung lassen sich nicht nur günstiger gestalten, die Batterien können auch energieeffizienter, langlebiger, nachhaltiger und recyclingfähiger gemacht werden. In Deutschland ist die Automobilindustrie systemrelevant. Deshalb muss dafür Sorge getragen werden, dass die Wertschöpfung abgesichert ist. Dazu gehört ohne Zweifel auch die Zellproduktion. Der Politik ist das sehr bewusst.

In den letzten Jahren wurden in Nordrhein-Westfalen zahlreiche forschungsstarke Einrichtungen auf- und ausgebaut. Wie wichtig ist die Kooperation zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen?

Winter: Kooperationen nehmen am MEET und am HI MS eine zentrale Rolle ein, um wissenschaftliche Grundlagenforschung und industrielle Anwendungen zusammenzubringen. Daher wird sowohl eng mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen als auch mit Partnerinnen und Partnern aus Industrie sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammengearbeitet. Ohne diese Kooperationen hätten sich das MEET und das HI MS nicht so schnell und erfolgreich entwickelt.

Ein wichtiger Aspekt ist die zügige Überführung von Forschungsergebnissen in die Praxis. Wie könnte dieser Prozess aus Ihrer Sicht verbessert werden?

Winter: Eine enge Kooperation zwischen Industrie und Akademie ist entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Batterien wichtig, denn so kann eine zügige und erfolgreiche Überführung von Forschungsergebnissen in die Anwendung erzielt werden. Viele unserer Patente haben wir als Kooperationsergebnisse mit der Industrie zusammen angemeldet. Im Fachbereich Chemie der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben wir einen eigenen Lehrstuhl für Transferforschung, der sich damit beschäftigt, wie Forschungsergebnisse in die Anwendung überführt werden können – und der in der Praxis erfolgreich ist. Auch die neue Batterieforschungsfabrik „Forschungsfertigung Batteriezelle“ (FFB) wird letztlich den Transfer von neuen Batteriekonzepten und Produktionsverfahren in die Praxis beschleunigen.

Mit ESC@WWU, dem Exzellenz Start-up Center.NRW, ist an der WWU ein Gründungs- und Start-up-Center entstanden, das WWU-Mitglieder von der Geschäftsidee bis hin zur Ausgründung unterstützt. Bereits bestehende universitäre Gründungsnetzwerke werden in ihrem regionalen Ökosystem weiterentwickelt – so wird das Gründungspotenzial an der Universität angehoben. Start-ups nehmen eine immer wichtigere Rolle für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen ein und werden auch für die Batterietechnologie immer bedeutender. Beim jetzigen Stand der Technologie- und Serienreife der Batteriezellen in Deutschland lohnen sich Investitionen in die Transferforschung. So kann der positive Einfluss der aufgebauten Strukturen für Forschung und Entwicklung auf die Akademie und Industrie deutlich vergrößert werden.

Münster Electrochemical Energy Technology

Das Münster Electrochemical Energy Technology (MEET) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ist eines der führenden deutschen Batterieforschungszentren. Seit 2009 schlägt die Forschungseinrichtung im Bereich Batterie eine Brücke zwischen Wissenschaft und Industrie. Zusammen mit seinen Kooperationspartnerinnen und -partnern forscht das MEET entlang des gesamten Wertschöpfungskreislaufs von Batterien: von der Entwicklung neuer oder verbesserter Materialien über die Batteriezellfertigung bis zum Recycling von Energiespeichern. Mit einem Fokus auf die Anwendungsorientierung überführt das Wissenschaftsteam neueste Forschungserkenntnisse anschließend in die Praxis.

Das MEET hat mit dem Start-up „E-Lyte Innovations GmbH“ ein Unternehmen ausgegründet. Wie kam es dazu?

Winter: Hinter jedem Start-up steht ein kompetentes Gründerteam. Die Initiative ging dabei von meinem damaligen Postdoktoranden und dem heutigen Geschäftsgründer Dr. Ralf Wagner aus. Ein Team von begeisterten Kollegen, die Gründer von E-Lyte, hat dann die Geschäftsidee für ein Unternehmen entwickelt und verfeinert: Das Erstellen von auf besondere Einsatzgebiete zugeschnittenen Elektrolytlösungen, die in enger Zusammenarbeit mit Material- und Zellherstellern sowie mit Anwendern entwickelt werden. Überzeugen konnte dieses Konzept unter anderem beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), wo E-Lyte als erstes Start-up des MEET Batterieforschungszentrums im Rahmen des Programms EXIST-Forschungstransfer gefördert wird. Es gibt schon jetzt viele Industrieunternehmen, die mit E-Lyte kooperieren. Die Idee hat gezündet. 

Angesichts der Dynamik in der Batterieforschung gibt es zu wenige Experten. Welche Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel wären aus Ihrer Sicht erfolgversprechend?

Winter: Dank der Aufbauleistungen der vergangenen Jahre können wir an Universitäten und öffentlichen Forschungseinrichtungen sowohl hervorragende Bedingungen für Forschung und Entwicklung bieten als auch große Freiheiten in der Forschung selbst. Jetzt sollten neue Studiengänge mit ausreichend Studienplätzen geschaffen werden, dazu gehört natürlich auch der Aufbau entsprechender Lehrstühle. Für die Entwicklung zukunftsfähiger Technologien ist eine interdisziplinäre Ausbildung in allen wichtigen Bereichen der Batterieforschung sinnvoll. Zu diesen gehören unter anderem Materialwissenschaften, Elektrochemie, Elektro- und Verfahrenstechnik, Maschinenbau, Produktionsforschung und Digitalisierung.

In Münster haben wir einen wichtigen Schritt gemacht. Das Land Nordrhein-Westfalen wird eine Graduiertenschule „BACCARA“ finanziell unterstützen, die eine strukturierte Ausbildung von bis zu 45 Doktorandinnen und Doktoranden auf dem Gebiet der Batteriematerial- und Zellforschung ermöglichen wird. Das ist allerdings erst der Anfang. Weitere Schritte müssen landes-, bundes-, europa- und weltweit folgen – und das nicht nur in der universitären Ausbildung, sondern auf allen Ausbildungsebenen, die zum Beispiel auch das Handwerk miteinschließen.

Welche Schwerpunkte sehen Sie in der Batterieforschung in den nächsten Jahren?

Winter: Ein Hauptschwerpunkt wird auf der weiteren Optimierung der Lithium-Ionen-Zelle liegen, da diese noch viel Potenzial bereithält. Daneben werden neue Zellchemien wie Lithium-Metall- und Feststoffbatterien eine große Rolle spielen. Feststofftechnologien mit Lithium-Metall-Elektrode versprechen gegenüber heutigen Technologien mit flüssigem Elektrolyten eine höhere Sicherheit und eine volumetrisch und gravimetrisch höhere Energiedichte. Das bedeutet, dass die zukünftigen Batterien kleiner und leichter sein werden, obwohl die gespeicherte Energiemenge die Gleiche bleibt. Hier gilt es abzuwarten, wann der Durchbruch erfolgt, denn die Entwicklung der Festkörpertechnologie steht noch vor Herausforderungen. Auch die Möglichkeiten der lithiumfreien Zellchemien wird ganz klar ein Thema sein, allerdings – bis auf die Natrium-Ionen-Chemie – zunächst eher eines für die Grundlagenforschung. 

Helmholtz-Institut Münster

Das Hemholtz-Institut Münster (HI MS) bündelt als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft die Kompetenzen der drei Partner Forschungszentrum Jülich, RWTH Aachen und Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU). Die Partner profitieren von exzellenten Forschungsinfrastrukturen an den drei Standorten und forschen gemeinsam an neuen Batterietechnologien auf der Basis innovativer Elektrolyte. Das Institut genießt auf den Gebieten Materialforschung (Forschungszentrum Jülich), Lithium-(Ionen-)Batterien (MEET der WWU) sowie großformatige Zellen und Anionen-leitende Keramiken (RWTH Aachen) ein internationales Renommee.

Sie haben die Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) bereits erwähnt.  Welches Konzept verfolgt die FFB? Und welche Impulse erwarten Sie für die Batterieforschung in Nordrhein-Westfalen?

Winter: In Deutschland fehlt bisher eine Serienproduktion großer Batteriezellen als wichtiger Bestandteil der Batteriewertschöpfungskette. Die Serienproduktion ist zum Beispiel ein wichtiger Aspekt für die Elektromobilität. In der Forschungsfabrik in Münster soll in Kooperationsprojekten mit der Industrie Wissen aufgebaut werden. Die FFB kann sich technisch als die Institution etablieren, die von Forschungseinrichtungen in Deutschland und Europa entwickelte Batteriechemien, -designs und -konzepte in Serienreife bringt. Das schließt die gesamte Wertschöpfung von der Idee über die Anwendung bis hin zum Recycling mit ein und macht das Projekt so spannend. Die Fraunhofer-Gesellschaft wird die FFB leiten und ihren Aufbau über Projektarbeiten in vielen deutschen Fraunhofer-Instituten unterstützen.

Die FFB wird außerdem ein Jobmotor für Europa und Deutschland werden – und natürlich auch für Nordrhein-Westfalen, das Münsterland, die Stadt Münster und die Universität. Das sind hervorragende Aussichten für unsere Absolventinnen und Absolventen und generell für die Menschen hier.

Wie kann die Wirtschaft aus Ihrer Sicht am besten in die Arbeit der FFB eingebunden werden?

Winter: Die Meinungen und Interessen der Industrie werden schon jetzt eingebunden, zum Beispiel durch Gespräche und Besuche vor Ort. Außerdem wird die FFB industrielle Partner und Kunden bei der Umsetzung neuer Batteriezellkonzepte und der Entwicklung zugehöriger Fertigungsverfahren unterstützen. Innovations- und Kommerzialisierungsprozesse werden so vorangetrieben und Risiken bei der Überführung neuartiger Zellkonzepte und Produktionstechnologien in die Großserienreife reduziert.

Wann wird die FFB voraussichtlich den Betrieb aufnehmen können?

Winter: Wir planen, sehr bald erste Innovationsmodule in Betrieb zu nehmen, wahrscheinlich schon 2021. Die gesamte FFB wird bereits nach und nach aufgebaut, sodass wir bereits 2022 erste große Produktionslinien sehen werden können.

Was wünschen Sie sich für die weitere Entwicklung der Batterieforschung in Nordrhein-Westfalen?

Winter: Ich wünsche mir ein langfristiges Engagement des Bundes und der Länder im Bereich Bildung und Forschung: mehr Ausbildungsplätze, mehr Studienplätze und mehr Lehrkräfte und Professuren.

Wir sollten auf eine Technologie-Roadmap setzen, die uns eine Übersicht über den möglichen Einsatz und die Marktreife verschiedener innovativer Technologien bietet. Es ist sinnvoll, Technologien auf den Markt zu bringen, die sowohl anwendungsfähig als auch kostengünstig sind. Andere weniger ausgereifte Technologien sind in Forschung und Entwicklung gut aufgehoben. Nur mit realistischen und erfolgsversprechenden Ansätzen werden wir die Energiewende und die Mobilitätswende schaffen.

Leuchtturmprojekte

Diese Projekte aus Nordrhein-Westfalen zeigen schon heute, wie die Transformation hin zur klimaneutralen Mobilität gelingen kann.

Zentrum für BrennstoffzellenTechnik

Wasserstoff ist eine der Schlüsseltechnologien für das Energiesystem der Zukunft. Denn durch seine vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten bietet er die Chance, unseren CO2-Ausstoß nachhaltig zu reduzieren. Drängenden Fragen rund um den Wasserstoff widmet sich das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) in Duisburg. Das ZBT ist sowohl ein in zahlreiche Forschungsprojekte eingebundener Projektpartner als auch ein Ansprechpartner für Projektkonsortien, die zu Wasserstoffthemen forschen und entwickeln. Schwerpunkte sind zum Beispiel die großtechnische Elektrolyse (die benötigt wird, um die erforderlichen Mengen an Wasserstoff herzustellen), die Entwicklung und Verbesserung von Wasserstoff-betriebenen Fahrzeugen sowie das Netz von Wasserstoff-Tankstellen.

Mit Hochdruck ins Wasserstoff-Zeitalter starten

Bei der Betankung mit Wasserstoff ist Druck ein wichtiger Faktor. Der Druck der Luft um uns herum beträgt im Normalfall und auf Meeresspiegelniveau 1 bar. In den Tanks von Wasserstoff-Tankstellen für PKW herrscht ein ganz anderer Druck: Das Gas wird mit 700 bar zusammengedrückt und so auf ein kleines Volumen komprimiert. Auch die Temperatur liegt mit -40 °C viel tiefer als die Lufttemperatur in unseren Gefilden. Durch den hohen Druck und die niedrige Temperatur passt vergleichsweise viel Wasserstoff in einen vergleichsweise kleinen PKW-Tank – wodurch mit nur einer Tankfüllung lange Strecken gefahren werden können. Soweit der Vorteil des hohen Drucks. Nachteilig ist, dass viel Energie benötigt wird, um den Druck von 700 bar überhaupt aufzubauen. Für die Betankung von Bussen hat man sich daher auf einen Druck von 350 bar geeinigt. Für Tankstellen sind also Wasserstoffspeicher auf verschiedenen Druckniveaus vorgesehen, für die es neben theoretischen Betrachtungen auch praxisnahe Experimente erfordert. Solche Experimente können zum Beispiel auf dem Wasserstofftestfeld des ZBT durchgeführt werden. Dort steht außerdem eine mobile Befülleinheit zur Verfügung – quasi eine mobile Tankstelle – die Anlagen und Fahrzeuge fernab von Versorgungsnetzen mit Wasserstoff betanken kann.

Auch die Reinheit des Wasserstoffs ist wichtig: Schon ein einziges Schadstoffmolekül auf 10 Millionen Wasserstoffmoleküle kann die Leistung von Wasserstoff-betriebenen Brennstoffzellen beeinträchtigen. Das ZBT arbeitet daher zusammen mit Kooperationspartnern an einer analytischen Methode, die Schadstoffe in dieser geringen Konzentration nachweisen kann. Auch an der Entwicklung geeigneter Fahrzeuge und Fahrzeugkomponenten ist das ZBT beteiligt.

DLR-Institut Future Fuels

Im Idealfall sollen zukünftige Brenn- und Kraftstoffe nur aus erneuerbaren Ressourcen produziert werden. Bei ihrer Verbrennung soll also kein zusätzliches fossiles CO2 freigesetzt werden. Solche synthetischen Kraftstoffe sollen in dem neuen Institut „Future Fuels“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht werden. Ziel ist es, mithilfe von konzentrierter Solarenergie Herstellungsverfahren für Kraftstoffe und Grundchemikalien aus erneuerbaren Ressourcen zu entwickeln, wobei darauf geachtet wird, die benötigten Ausgangsstoffe effizient bereitzustellen.

Tipp:  Auf der Posterausstellung beim Energieforschungskongress „Alles ist Energie“ im Dezember 2020 hat sich das Institut Future-Fuels mit einer Kurz-​Übersicht vorgestellt. Das gestaltet Poster gibt es hier als PDF-​Datei zum Download.

Forschungszentrum Jülich: alternative Kraftstoffe und Modellanalyse

Alternative Kraftstoffe, wie Wasserstoff oder aus Wasserstoff und CO2 hergestellte Flüssigkraftstoffe, werden im Forschungszentrum Jülich erforscht. Neben der Herstellung und Anwendung werden auch die notwendigen Infrastrukturen untersucht. Begleitet werden diese Arbeiten durch Energiesystemmodelle, die insbesondere die komplexen Strukturen der Sektorenkopplung und Möglichkeiten internationaler Energieimporte berücksichtigen. Neue Konzepte für Energieversorgung und -nutzung können so digital analysiert werden, bevor sie in der realen Welt aufgebaut werden. Die Modelle sind so erstellt, dass sie zu minimalen Gesamtkosten der Energieversorgung führen: eine wichtige Eigenschaft, um die neuen Versorgungsstrukturen bezahlbar zu halten. Aus diesen Systemanalysen lassen sich also Handlungsempfehlungen und Funktionszusammen- hänge ableiten, die fundierte Entscheidungen in Politik und Wirtschaft erlauben.

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